„Das ist schon ein bisschen traurig“, sagt Flohr. Der Regionalhistoriker und Architekt ist überzeugt, dass man aus dem Gebäude mit seinen fast 50 Zentimeter dicken Wänden einiges hätte machen können. Errichtet wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem der Vorgängerbau wie vieles weitere im Dorf bei der Bombardierung Grasdorfs 1943 zerstört worden war. Benötigt wurde die Scheune, um im vorderen Bereich zur Straße hin Kühe unterzubringen. Im rückwärtigen Teil war der Schweinestall, und quer dazwischen, erreichbar über große Tore, verarbeiteten der Gemüsebauer Eberhard Stahlhut und seine Beschäftigten die Feldfrüchte des Hofes, berichtet Flohr. Die wuchsen im Bereich des heutigen Ascheplatzes von Germania und der Grundschule sowie auf jenen Flächen Grasdorfs, auf denen ab 1964 Laatzen-Mitte entstand.
Stahlhut sei der größte Gemüsebauer gewesen, der auf seinen sechs Morgen Land sogar doppelte Ernten einfuhr, erinnert sich der 92-Jährige. Sein Vater habe daher darauf vertraut, dass er das Geld von diesem verlässlich bekommen würde. Direkt nach der Währungsreform wurde die Arbeit der Flohr-Brüder in Deutsche Mark bezahlt. Wie viel, ist nicht bekannt.
Nachdem Stahlhut den Betrieb eingestellt hatte, nutzte ein Schweinemäster die Scheune, erinnert sich der Regionalhistoriker Flohr, der unter anderem das Buch „Bauernhöfe, Fliegerbomben, Kirche und ein Dorfbrunnen“ über Grasdorf geschrieben hat. Die Schweine blieben aber nicht lang. Nachbarn beschwerten sich wegen des Lärms und Geruchs, sodass die landwirtschaftliche Nutzung schließlich endete. Dem zwischenzeitlichen Eigentümer Werner Gurkasch zufolge diente die Scheune später noch einem Maler als Lager. Die letzten Jahre stand sie dann leer.
Was auf dem Grundstück genau geplant ist, kann Gurkasch nicht sagen. Er habe es an einen Investor verkauft, der eine Wohnbebauung realisieren wolle. Nach Informationen dieser Zeitung soll an der Ecke Neuer Schlag/Schützenwiese mindestens ein Einfamilienhaus entstehen. Das Wohnhaus auf dem Gelände bleibe erhalten.
Passanten bedauern die Veränderung. „Die Scheune ist mein Baujahr“, sagt Rainer Oberwelland und schaut auf die vier Metallzahlen im Giebel: 1949. Es sei eines der letzten alten Gebäude. Der Grasdorfer hat den Wandel von einst „15 bis 20“ landwirtschaftlichen Betrieben zu seiner Kinderzeit auf aktuell einen miterlebt. „Die Bauern haben die Fruchtfolge eingehalten“, so Oberwelland: „Weizen, Rüben, Bauland“. Dass die Scheune verschwindet, findet auch Britta Schaper schade. Sie lebt selbst in einem denkmalgeschützten Haus und hofft, dass sich der Neubau einpasst: „Ich wünsche mir, dass er den Charakter von Grasdorf bewahrt.“
Rechtlich gibt es keinerlei Einwände. Weder steht die Scheune unter Denkmalschutz, noch fällt sie unter die Erhaltungssatzung. Diese hatte Flohr 1981 einst nach dem Abriss des Vollmeierhofes Kook („Ein Schlüsselerlebnis für mich“) als CDU-Ratsherr vorangetrieben und mit durchgesetzt. Der Geltungsbereich der Erhaltungssatzung endet beim Nachbargrundstück Neuer Schlag 11. „Es ist traurig“, sagt Flohr über den Abriss, „mehr kann ich nicht sagen.“