Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten vier Laatzener Bürger im Jahr 1945 einen Friedensbaum am Dreiecksteich im heutigen Alt-Laatzen gepflanzt. In Erinnerung an die Birke, die 2021 gefällt werden musste, und als Symbol für Frieden und Zusammenhalt haben Bürgerinnen und Bürger jetzt einen sogenannten Zukunftsbaum neben der Immanuelkirche an der Eichstraße eingesetzt.
Der Baum sei ein lebendiges Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung und erinnere daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei. „Der Baum symbolisiert nicht nur den Wunsch nach einem friedlichen Miteinander, sondern steht auch für den generationsübergreifenden Zusammenhalt“, sagt die Alt-Laatzenerin Susanne Müller, die die Idee für die Neupflanzung hatte und auch die Geschichtswerkstatt bei Immanuel leitet. „Wir wollten damit auch den Ruf der Kirche nach Frieden hörbar machen“, ergänzt Kirchenvorsteher Wilfried Bergau-Braune. „Es muss eine Stimme für Frieden geben – auch wenn man aktuell nicht weiß, wie das gehen soll.“
Um die Idee zu realisieren und einen geeigneten Standort zu finden, hatte Müller den Kirchenvorstand und den ehemaligen Landtagspräsidenten Jürgen Gansäuer eingebunden. Der Kirchenvorstand habe sich nicht nur inhaltlich beteiligt, sondern auch den Platz neben der Kirche zur Verfügung gestellt, Gansäuer steuerte seine Stimme als alteingesessener und geschichtsbewanderter Laatzener bei. „Herrn Gansäuer war die Aussage zum Frieden in diesen unsicheren Zeiten ganz wichtig“, sagt Müller. Gemeinsam waren sie auch an der „Alt-Laatzener Erklärung gegen rechtsradikale und undemokratische Kräfte“ beteiligt. Bei der Neupflanzung haben sich die Beteiligten für eine Mehlbeere entschieden. Baumexperten hätten von einer Birke abgeraten, weil diese nicht widerstandsfähig genug seien, sagt Müller. Die am Mittwoch eingesetzte Mehlbeere ist etwa fünf Meter groß und bereits 15 Jahre alt. „Sie stand bislang in einer Baumschule“, sagt Müller. Weil Mehlbeeren hitzeresistent, straßentauglich und schädlingsresistent seien, würden sie auch Zukunftsbaum genannt.
Die Bezeichnung passe wiederum zur Idee der Pflanzung: „Der Baum ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Erinnerung an die Vergangenheit auch in der Gegenwart wachgehalten wird und die Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft bleibt“, heißt es in einer Erklärung, die mit dem zum Baum gehörenden Schild abgebildeten per QR-Code aufgerufen werden kann. Deshalb haben die Beteiligten die Bezeichnung Zukunftsbaum gleich übernommen.
Den Bereich vor der Kirche haben die Beteiligten gewählt, weil der Standort der früheren Friedensbirke nicht sehr zugänglich gewesen sei und entsprechend weniger wahrgenommen würde. Die Originalplakette, die früher an dem Baum angebracht und jetzt auf der Erklärtafel abgebildet ist, wird heute im Stadtarchiv aufbewahrt. „Die Friedensbirke wurde als Setzling am 8. April 1945 bei Kriegsende von den Laatzener Bürgern Karl Barth, Fritz Bock, Walter Dormann und Friedrich Strate gepflanzt“, steht darauf.
„Die vier Laatzener Bürger haben damals viel Mut bewiesen, denn die Nazis hatten trotz des nahen Kriegsendes noch Deserteure umgebracht“, berichtet Gansäuer. Anlässlich der Neupflanzung hatte der frühere Landtagspräsident am Freitag einen Vortrag mit dem Titel „Dietrich Bonhoeffer und die Zerstörung der ersten deutschen Demokratie“ in der Immanuelkirche gehalten. Bonhoeffer wurde am Tag nach der Pflanzung im Konzentrationslager Flossenbürg auf Hitlers persönlichen Befehl von den Nazis hingerichtet.
„Laatzen lag zu dieser Zeit nach einem schweren Bombenangriff in Trümmern“, erinnert sich Gansäuer. Auf dem Messegelände seien damals Flak-Geschütze gebaut worden, und aufgrund der Angriffe der Alliierten auf das Gebiet wurde auch das umliegende Gebiet in Mitleidenschaft gezogen. „Der größte Teil Alt-Laatzens war zerstört.“ Zu jener Zeit seien zudem die Amerikaner mit Panzern in Laatzen eingerückt.
Mit der Pflanzung des Baumes und dem angebrachten Schild wollten Barth, Bock, Dormann und Strate ein Zeichen für den Frieden setzen. „Die ursprüngliche Friedensbirke ist bis heute ein bedeutender Teil der Geschichte Laatzens“, sagt Müller. Der Baum sei aber abgestorben gewesen und musste im Jahr 2021 schließlich gefällt werden. Die starke Verbundenheit mit ihrer Geschichte und ihren demokratischen Werten hätten die Laatzenerinnen und Laatzener auch durch ihre großzügigen Spenden zum Ausdruck gebracht, mit denen das Projekt erst realisiert werden konnte.
Begleitend zur Pflanzung hatte die Immanuelgemeinde ein „Friedenswochenende“ organisiert. Neben Gansäuers Vortrag hatte die Gemeinde für Sonntag zum Gedenkkonzert mit jüdischer Chormusik und zu einem Friedensgottesdienst eingeladen, in dessen Anschluss Müller, Gansäuer und der Kirchenvorstandsvorsitzende Wilfried Bergau-Braune die Erklärtafel vor der Mehlbeere enthüllten.