Die ersten Alpakas sind bereits vor zwei Jahren auf die Weide am Ende der Kampstraße gezogen. „Als wir das Grundstück an Karls Hütte vor zwei Jahren von meinem Vater erbten, überlegten wir, wie wir es am besten nutzen können“, berichtet Axel Oppenborn. „Mein Vater sagte, verkauft es nicht, sondern macht was draus.“ Das Grundstück ist bereits seit mehr als 200 Jahren im Familienbesitz und wurde nach Axel Oppenborns Ururopa Karl benannt, der dort eine kleine Hütte errichtete – Karls Hütte -, in der er immer seine Mittagspause verbracht haben soll.
„Beim Wandern in Tirol haben wir Alpakas kennengelernt und dachten, es wäre toll, hier welche zu halten“, erzählt Oppenborn, der mit seinem Bruder Kai die Calenberger Backstube betreibt. Nachdem der Familienrat einberufen und alle von der Idee begeistert waren, machten Axel Oppenborn und seine Ehefrau Kathrin ein eintägiges Seminar zur Alpaka-Zucht und -Haltung. Dann zogen vor zwei Jahren die ersten Alpakas nach Schulenburg: die drei weißen Stuten Rosi, Martha und Paula. Im vergangenen Jahr kamen sechs junge Hengste dazu: Hermann, der Hübsche, Oskar, der Kleine, Fred mit der weißen Nase, Hannes, der Helle, Günther, der Schwarze und Franz mit den fransigen Ohren.
Seitdem bieten die Oppenborns an Karls Hütte nicht nur Alpaka-Yoga an, sondern laden auch zu Alpaka-Wanderungen ein, richten Kindergeburtstage und andere Veranstaltungen wie Käse-Wein-Abende oder Ostereiersuchen im Beisein der Tiere aus. Außerdem bieten sie Alpakawolle und selbstgemachte Alpakaseife sowie „Karls Goldschatz“ an: luftgetrockneten und fein gemahlenen Alpakakot. „Das ist der beste Dünger überhaupt, denn er ist rein pflanzlich und enthält keine Schadstoffe“, sagt Axel Oppenborn.
Mit etwa zehn weiteren Frauen mache ich es mir auf einer leuchtend roten Yogamatte gemütlich. Während das Angebot bei uns Zweibeinern offenbar nur die Damen anspricht – unter den Teilnehmenden ist kein einziger Mann – ist es bei den Alpakas genau andersrum. Nur die männlichen Tiere nehmen an der Yogastunde teil. „Sie sind zutraulicher als unsere Stuten“, erklärt Louisa Müller. Die 30-jährige Tochter von Axel und Kathrin Oppenborn kümmert sich neben ihrem Vollzeitjob als Physiotherapeutin um das Marketing, die Terminvergabe und die Organisation der Veranstaltungen. „Außerdem wollen wir die Stuten nicht unnötig stressen, da sie mit der Aufzucht ihrer Fohlen genug zu tun haben.“
Denn vor kurzem erblickte der erste Schulenburger Alpaka-Nachwuchs das Licht der Welt: die zwei Monate alte Marie und der einen Monat alte Karl. Der kleinen Marie hat Axel Oppenborn mit auf die Welt geholfen. Dafür hat der 55-Jährige extra einen Geburtshilfekurs für Alpakas absolviert.
„Wir lieben es, hier zu sein“, sagt Kathrin Oppenborn, die auch bei der Calenberger Backstube arbeitet und mit ihrem Mann die Alpakas in ihrer Freitzeit betreut. „Es ist so entspannend und wir können vielen Menschen eine Freude bereiten“, sagt die 56-Jährige.
Nach mehreren Aufwärmübungen nehmen wir die Yoga-Position „Herabschauender Hund“ ein, wobei wir Hände und Füße auf die Matte stemmen und den Po nach oben strecken. Alpaka Günther guckt etwas irritiert, wie ich finde, widmet sich dann aber wieder dem Heu, das in der Mitte der kreisförmig angeordneten Yogamatten liegt. Darauf folgen die Yoga-Figuren „Die Kobra“ und „Der Krieger“. Während Alpaka Hannes friedlich grasend an mir vorbeischlendert, rinnt mir der Schweiß an den Schläfen herunter. Die restlichen Andentiere ziehen ebenfalls mümmelnd über die Weide und stören sich nicht sonderlich an den ungewöhnlichen Körperhaltungen der sie umgebenden Menschen. Denn während sich die Zweibeiner verbiegen, kommt den Tieren die Rolle der neugierigen Betrachter zu.
„Alpakas werden auch als Delfine der Weide bezeichnet“, erklärt Kathrin Oppenborn, die den Yogakurs leitet und dafür im vergangenen Jahr ihre Lizenz als Yoga-Lehrerin gemacht hat. „Ihre Anwesenheit hat eine entschleunigende Wirkung, man muss ihnen nur in die Augen schauen.“
Besonders angenehm: Nirgends auf der Weide liegen Alpaka-Köttel. Denn ähnlich wie wir nutzen die Tiere für ihre Bedürfnisse nur ihr „Alpaka-Klo“: eine kreisförmige Stelle auf der Weide, auf der alle Tiere ihr Geschäft erledigen. „Das ist problematisch, wenn wir mit den Tieren spazieren gehen und eines mal muss“, sagt Axel Oppenborn. „Dann laufen alle ganz schnell zu ihrer Toilette auf der Weide zurück.“ Denn wenn ein Alpaka auf die Toilette muss, müssen plötzlich alle anderen auch.
Während ich vor der Yogastunde noch dachte, ich sei relativ beweglich und Yoga relativ einfach, muss ich diese Annahmen nun ad acta legen. Ich bin froh, als wir die letzte Übung machen: Sich auf den Rücken legen, die Augen schließen und entspannen. Das kann ich gut.
Nach der Yogastunde können alle den Alpakas ganz nah kommen und sie füttern. Die Tiere vertilgen ausschließlich Gras, Heu, Stroh und ein Mineralfutter. Äpfel, Karotten und andere Früchte vertragen sie nicht. Obwohl sie ganz wild auf ihre Spezialmischung sind, sind sie keine Streicheltiere. „Sie mögen es nicht, am Kopf getätschelt zu werden“, sagt Kathrin Oppenborn. „Dafür gibt Hannes aber auch mal Küsschen.“ Ich verlasse die Weide allerdings vom Alpaka ungeküsst. Ein Erlebnis war das Alpaka-Yoga dennoch. Nicht nur für mich, sondern auch für die anderen Teilnehmerinnen. „Es gibt nichts Schöneres, als unter freiem Himmel im Beisein der Alpakas Yoga zu machen“, schwärmt Franzi Gottschalk aus Hannover, die auch ihre Mutter, Dagmar Gottschalk, mitgebracht hat. „Ich hatte keine Vorstellung, was mich erwartet, aber es war toll“, sagt die 62-Jährige aus Gestorf.
Weitere Infos zu den Veranstaltungen an Karls Hütte gibt es auf Instagram unter