Passanten, die nicht am Wehrbusch wohnen, berichten, dass sich die Situation dort entspannt habe. „Es ist jetzt sauberer und man sieht weniger Jugendliche“, sagt Helmut Dähne, der mehrmals die Woche mit dem Rad von Grasdorf aus zum Leine-Center fährt. „Ich hatte am Wehrbusch noch nie Probleme“, sagt Christina Tietze, die mit ihrem Rollstuhl ein- bis zweimal wöchentlich von Grasdorf aus am Wehrbusch entlangfährt. Zwar sei sie schon ein paar Mal auf Gruppen von Jugendlichen gestoßen. „Die haben mir aber immer Platz gemacht, wenn ich höflich gefragt habe.“
Anders bewerten hingegen Anwohner die Situation. Viele haben Angst, trauen sich bei Dunkelheit nicht mehr auf die Straße. Einige haben sogar ihre Wohnungen gekündigt und sind weggezogen. So wie ein 26-Jähriger, der seinen Namen lieber nicht veröffentlicht sehen möchte. Er sei vor einem Jahr an den Wehrbusch gezogen. Eigentlich sollte auch seine Freundin bei ihm einziehen. „Die Wohnung ist sehr schön und zentral“, sagt er. Doch nun zieht er in vier Tagen wieder aus. Die Umzugskartons hat er bereits gepackt. „Hier möchte ich keine Familie gründen“, sagt der durchtrainierte junge Mann.
Denn mehrmals die Woche wird der Wehrbusch abends nach wie vor zum Treffpunkt von auffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Ab 20, 21 Uhr kann man nicht mehr auf die Straße gehen“, sagt der 26-Jährige: „Es hat sich überhaupt nichts verbessert – im Gegenteil.“ Oft versammelten sich 15 bis 30 Leute vor der Volksbank, machten Party und handelten vermutlich auch mit Drogen. „Viele kommen mit getunten Autos und lassen die Motoren aufheulen.“ Oft rasten dann auch Wagen mit Tempo 50 bis 60 den Wehrbusch entlang.
In die Keller der Häuser am Wehrbusch werde immer wieder eingebrochen. „Die springen einfach über den Laubengang im Erdgeschoss und sind im Haus“, berichtet der 26-Jährige. Vor kurzem habe es auf der Wiese vor seinem Haus am Fußgängertunnel zum Leine-Center eine Massenschlägerei gegeben. Einzugreifen habe er sich nicht getraut, sagt der junge Mann. „Sonst stehen die alle bei mir vor der Tür.“
„So manch einer traut sich abends nicht mehr vor die Tür“, bestätigt eine Frau, die in einem der Hochhäuser am Wehrbusch lebt. Denn dann seien oft Kampfschreie zu hören. „Als ob die sich gegenseitig abstechen.“ Aus dem Fenster beobachte sie häufig, dass die ausnahmslos männlichen Jugendlichen das Kämpfen übten. „Die sind alle sehr durchtrainiert.“
„Es ist immer noch schlimm“, berichtet auch ein 71-jähriger Bewohner der Hohenrode. „Wir sehen jeden Tag aus dem Fenster, was dort abgeht.“ Abends rotteten sich die Gangs oft am Kiosk zusammen. Dabei würden die Gruppen junger Männer, von denen etwa 90 Prozent einen Migrationshintergrund hätten, immer größer. Komme die Polizei vorbei, zerstreuten sie sich blitzschnell in alle Himmelsrichtungen. Oft sehe er auch kleinere Gruppen in privaten Hauseingängen an der Hohenrode stehen. „Es ist offensichtlich, dass dort mit Drogen gehandelt wird“, sagt der Anlieger. Die Hauseingänge könne die Polizei nicht einsehen, wenn sie am Wehrbusch Streife fahre. Mehrmals habe er auch schon beobachtet, dass die jungen Männer in privaten Briefkästen wühlten und die Post klauten. Auch hinterließen sie viel Müll. Um die Jugendlichen fernzuhalten, hätten Anwohner bereits einige draußen stehende Bänke abgebaut.
Der Besitzer des Autos, das in der Silvesternacht abgeschleppt worden ist, sei an diesem Abend ebenfalls von den Jugendlichen zusammengeschlagen worden, berichtet der 71-Jährige. Mittlerweile sei er weggezogen. „Ich fühle mich total verunsichert“, sagt der Rentner. Nach 19 Uhr gehe er nicht mehr aus dem Haus. Oft werde man dumm angequatscht. Vor einigen Jahren sei er sogar tätlich angegriffen worden und habe sich gerade noch in seinen Hauseingang retten können. Aus Angst möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Ich habe das Gefühl, das läuft hier alles aus dem Ruder“, sagt der Senior. Er würde sich wünschen, dass die Polizei rigoroser durchgreifen würde.Dank der vermehrten Polizeistreifen nach den Silvesterkrawallen hat sich die Lage aus der Sicht eines 51-jährigen Anwohners der Hohenrode etwas verbessert. „Die jungen Männer treffen sich nun nicht mehr tagtäglich an der Volksbank, sondern nur noch etwa drei- bis viermal in der Woche.“ Auch laut der Polizei Laatzen hat sich die Lage am Wehrbusch entspannt. „Das Anzeigeverhalten und die Bürgerbeschwerden sind objektiv zurückgegangen“, sagt Shelley Jürgensen, Leiterin des Kriminal- und Ermittlungsdienstes. „Die Anzahl der Einsätze mit Jugendlichen, die an den genannten Örtlichkeiten auffällig wurden, habe seit 2022 abgenommen.“ Eine Beruhigung der Lage sei seitdem sowohl im polizeilichen Einsatzaufkommen als auch in den Statistiken festzustellen.
Nach Angaben der KED-Leiterin Jürgensen sind in dem Viertel weiterhin vermehrt Streifen unterwegs. „Eine regelmäßige polizeiliche Präsenz unter anderem rund um den Bereich des Leine-Centers sowie an anderen markanten Punkten des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des PK Laatzen wird gewährleistet.“Dabei arbeite die Polizei auch mit der Stadt zusammen. Gemeinsam mit dem Team Sicherheit und Ordnung hätten die Kontaktbeamten von Februar bis April im vierwöchigem Abstand kooperative Fußstreifen durchgeführt. „Gemeinsam mit der Stadt wurde insbesondere der Bereich, in welchen jugendliche Beschuldigte 2022 und 2023 durch Straftaten auffielen, und der Nahbereich des Wehrbusch bestreift.“ Die Streifen sollen laut Jürgensen bei Bedarf fortgeführt werden. Dass am Wehrbusch mit Drogen gehandelt wird, könne die Polizei nicht bestätigen, so die KED-Leiterin: „Wir gehen jeglichen Hinweisen aber selbstverständlich nach.“