Seit etwa 8 Uhr rollten am Sonntag Autos der Stadt mit Lautsprecherdurchsagen durch den Ortsteil, um die Bewohner zum Verlassen ihrer Häuser aufzufordern. Eine Stunde später fuhren dann die Evakuierungsbusse die Stopps an, um Menschen zur Notunterkunft in der Grundschule Gleidingen zu bringen. Die Helfer der Ortsfeuerwehren Rethen und Gleidingen überprüften alle Häuser. Besondere Freude bereitete ihnen ein an sie gerichteter Dankesbrief an einer Haustür.
„Wir sind selbstverständlich weg, haben euch aber etwas Nervennahrung dagelassen“, schrieb eine Familie, die zwei Packungen Studentenfutter hinterlegt hatte. „Großartig“, findet das die Gleidinger Helferin Jasmin Schrader, die ihrerseits einen Dank hinterließ. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Arbeit der Feuerwehr derart wertgeschätzt werde.
Zu den 60 Frauen und Männern in der vom DRK betriebenen Notunterkunft gehörte auch Rosmarie Pohlmann. Die 100-Jährige löste fleißig Kreuzworträtsel. „Eigentlich ist ja egal, ob ich das nun hier mache oder zu Hause“, sagte sie lachend. Birgit Jacker hatte sich Zeitschriften mitgenommen. „Mein Buch habe ich leider vergessen“, bedauerte ihr Mann. „Aber es ist gut, dass man hier einen Platz hat, an dem man unterkommen kann, und nicht herumirren muss.“
Acht Bewohnerinnen und Bewohner des Stümpelhofes mit ihren Betreuern, vier Jugendliche aus einer Wohngruppe sowie vier im Liegen transportierte Personen – „bis zum Wachkomapatienten“, wie die städtische Koordinatorin Corinna Szanwald erklärte – kamen ganz in der Nähe unter. Wegen der behindertengerechten Ausstattung und Einrichtung wurden sie in der Eberhard-Schomburg-Schule betreut.
Die Zugänge innerhalb des Ortes und in die Feldmark waren weiträumig von der Polizei abgeriegelt worden. Dabei kontrollierten vier Beamtinnen und Beamten auch hoch zu Ross. Einige Radfahrer, die die Wege kreuzten, hätten sie bei ihrer Patrouille gesehen, sagte ein Polizist gegen 11 Uhr. Sonst sei es aber ruhig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits der komplette Sperrbereich überprüft worden, und auch eine Drohne hatte eine Viertelstunde zuvor keine unbefugten Personen mehr ausmachen können. Als gegen 11.15 Uhr der Polizeihubschrauber von seinem Kontrollflug zurückgekehrt war, konnten die beiden Sprengmeister Marcus Rausch und Sven Meiners loslegen und auch den letzten Meter Erde über der Bombe entfernen.
„Anfangs war es schwierig, weil der Boden hart und tonig ist“, berichteten die Sprengmeister. Die Entschärfung der schräg mit dem Zünder nach unten liegenden Sprengbombe sei dann aber unproblematisch gewesen. Zum Glück sei es kein Säurezünder gewesen, sondern ein sogenannter Aufschlagzünder GP500 gewesen, der sich einfach herausdrehen ließ. Das Kampfmittel wurde anschließend nach Munster abtransportiert, wo es professionell entsorgt wird.
Die beiden Sprengmeister lobten die professionelle Planung der Stadt sowie den Einsatz von THW und Feuerwehr. Auch die Firma KMB von Heiko und Simone Riemers, die für die Sondierung und Vorbereitung der insgesamt vier Verdachtsstellen zuständig war, verteilte Lob. Bürgermeister Kai Eggert (parteilos) betonte: „Alles ist gut gelaufen, ich danke allen Beteiligten.“
Roswitha und Rainer Haslbeck gehörten nach der Entwarnung zu den Ersten, die wieder nach Oesselse zurückkehrten. „Wir waren erst in der ,Bar Celona‘ in der Südstadt frühstücken und dann mit unserem Sohn am Maschsee spazieren“, sagte Roswitha Haslbeck. Anschließend besuchten sie noch ihren Sohn. Die Familie verfolgte den HAZ-Live-Ticker und machte sich am Sonntagnachmittag wie viele weitere Betroffene umgehend auf den Nachhauseweg. Die Straßensperren waren schnell beiseite geräumt. Ein Evakuierungsbus brachte die Menschen aus der Notunterkunft zurück nach Ingeln-Oesselse, und gegen kurz nach 14 Uhr fuhr auch wieder die bis dato umgeleitete 390er-Linie.