Vor dem Eingang am Marktplatz hatte sich eine lange Schlange gebildet. Viele der wartenden Menschen hatten Schüsseln mit Süßspeisen mitgebracht. „Ramadan Kareem“ – „gesegneten Ramadan“ – stand in großen Buchstaben über ihnen an der Wand.
Vor der Thalia-Buchhandlung, dem Eingang zum Rathaus, im Kinderspielbereich Leinelino sowie im Obergeschoss vor der Apotheke standen zahlreiche mit Luftballons geschmückte Tische mit weißen Tischtüchern und einem Schälchen Datteln. „Diese werden laut dem Koran als Erstes beim Fastenbrechen gegessen“, erklärt Aslan Duygu, Gründer und Betreiber des Elma-Marktes im Leine-Center. Er hatte das Fest ins Leben gerufen und Essen und Getränke für alle 500 binnen kurzer Zeit angemeldeten Gäste spendiert.
„Wir möchten etwas zurückgeben und das Brot mit unseren Nachbarn in Laatzen teilen, egal, welche Konfession sie haben“, sagt Duygu, der selbst gläubiger Muslim ist und während des Ramadans den gesamten Tag über auf Essen und Trinken verzichtet. „Es ist ein großes Geschenk, dass wir in der Mitte von Laatzen unsere Religion ausüben können.“
Bereits am Freitagabend hatte die interkulturelle Frauengruppe der Stadt begonnen, Hähnchenschenkel und Rindfleisch zu zerteilen und Gemüse zu schnippeln. Am Sonnabend haben die 15 Frauen um die vielfach engagierte Narmin Rashid dann ab 12 Uhr aus den Zutaten einen Rindereintopf sowie eine türkische Linsensuppe gekocht, Hähnchenschenkel mariniert und einen Bauernsalat zubereitet. „Wir haben 60 Kilogramm Rindfleisch, 150 Hähnchenschenkel, 30 Kilogramm Reis und 25 Kilogramm Bulgur verarbeitet“, sagt Rashid.
Einen Preis für die von ihm zur Verfügung gestellten Lebensmittel will Duygu nicht nennen. Er schätzt aber, dass die Kosten im höheren vierstelligen Bereich liegen. Neben den zwei Hauptgerichten und der Suppe hat er den Gästen auch vegane Çig Köfte, das sind gewürzte Frikadellen aus Bulgur, spendiert. Die Angestellte des Elma-Marktes bereiteten sie an einem Stand frisch zu. Die verschiedenen Desserts hatten die Gäste selbst mitgebracht.
„Als Bürgermeister von Laatzen ist es mir ein persönliches Anliegen, die Vielfalt der verschiedenen kulturellen sowie religiösen Traditionen unserer Stadt zu würdigen und zu feiern“, begrüßte Bürgermeister Kai Eggert (parteilos) die Gäste. Dabei wies er auf die Gemeinsamkeiten der abrahamitischen Religionen hin.
So teilten der Islam, das Juden- und das Christentum die zentralen moralischen Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit. Zwar gebe es auch Unterschiede in den heiligen Schriften und Bräuchen, sagte Eggert. „Aber trotz all unserer Unterschiede im Glauben stehen wir heute hier als eine Stadt, als eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig respektiert und unterstützt.“
Vor der Essensausgabe, die von Ehrenamtlichen des Netzwerks für Flüchtlinge sowie Angestellten der Stadt übernommen wurde, sprach auch Bilal Erden, Imam der Aksa-Moschee in Laatzen, über Barmherzigkeit. „Mit den Gebeten, die in dieser Zeit verrichtet werden, stärken die Muslime ihr Bewusstsein des Teilens, der Solidarität und des Mitgefühls.“ Die Barmherzigkeit, die der Islam verlange, sei so umfassend, dass sie alle Geschöpfe einschließe.
Dabei ging Erden auch auf aktuelle Geschehnisse ein. In vielen Teilen der Welt würden Menschenrechte verletzt. „Insbesondere die Ereignisse in Gaza haben uns tief erschüttert.“ Trotz der Aufrufe zum Waffenstillstand von allen Seiten sei kein Ergebnis erzielt worden. „So wie wir unsere Stimme gegen den Angriff auf Zivilisten in der Ukraine erhoben haben, so sprechen wir uns gegen den Tod unschuldiger Zivilisten aus, egal, wo sie leben und welcher Religion sie angehören.“ Wenn Kinder vor Hunger sterben, handele es sich nicht mehr um Krieg, sondern um Unrecht und Unterdrückung.
Unter den Gästen waren zahlreiche Familien, die mit Kindern und Großeltern ins Leine-Center gekommen waren. „Viele Muslime sind heute ins Leine-Center gekommen, anstatt in die Moschee zu gehen, obwohl auch dort das Fastenbrechen angeboten wird“, sagte die türkischstämmige Selma Gürbüz aus Laatzen. „Die Veranstaltung zeigt, dass wir als Muslime in Laatzen wertgeschätzt und akzeptiert werden.“„Es ist das erste Mal, dass ich das in so einer Größenordnung und mit so vielen verschiedenen Menschen erlebe“, freute sich der 29-jährige, aus Afghanistan stammende Safiullah Rahmani. Für das Leine-Center war es eine Premiere. Die letzte große Ramadan-Feier in Laatzen auf städtischem Grund liegt fast 15 Jahre zurück.
Im Spätsommer 2009 hatten Muslime dafür Zelte auf dem damals noch nicht von Siemens bebauten Festplatz aufgebaut. In den vergangenen Jahren hatte das Netzwerk für Flüchtlinge Ramadan-Feiern organisiert, wie 2022 in der Albert-Einstein-Schule.
Unterstützt wurde die Großveranstaltung im Leine-Center vom dortigen Centermanagement, dem Netzwerk für Flüchtlinge, der Stadt Laatzen, D-Lux-Möbel, der D-Lux-Änderungsschneiderei und dem D-Lux-Barbershop sowie von Michael „Micky“ Pabst, dem Betreiber von „Mickeys kleine Weihnachtswelt“. Da das gemeinsame Fastenbrechen so gut angenommen wurde, planen Duygu und Twesten für 2025 eine Neuauflage. Ramadan ist der neunte Monat des nach dem Mond ausgerichteten islamischen Kalenders und wird nächstes Jahr vom 28. Februar bis 29. März gefeiert.Der diesjährige Fastenmonat endete am 9. April mit dem Zuckerfest, Eid al-Fitr. Da dieses Fest in der Regel traditionell in den Familien gefeiert wird, hat das Netzwerk für Flüchtlinge in Laatzen eine Nachfeier organisiert.
Am morgigen Sonntag, 14. April, können Interessierte von 17.30 bis 19 Uhr in die ehemalige Teestube am Marktplatz 5 kommen. Dort gibt es dann Kaffee, Tee und Süßigkeiten.