Wie komplex allein die Kartierungen für das rechtlich erforderliche Gutachten zur Artenvielfalt in dem Bereich der geplanten Baustelle sind, zeigen außer Rintala auch ihre beiden Kolleginnen Malin Vogt und Stefanie Heinß. Alle drei gehören zum Kartierungsbüro Afry aus Hannover. Heinß und Vogt suchen allerdings primär nach Lebewesen, die eher auf dem Boden oder im Wasser unterwegs sind. An diesem Tag sind sie auf der Suche nach Spuren von Fischottern, Bibern sowie verschiedenen Reptilien.
Es ist kein neues Phänomen, dass Umweltfrevlern immer wieder illegal rings um den Parkplatz an den Koldinger Seen Müll wegwerfen. Auf den ersten Blick sieht auch der Gegenstand nahe der Leinebrücke nach einer entsorgten Gummifußmatte aus einem Auto aus. Doch Heinß erklärt, dass die dort insgesamt etwa 20 ausgelegten Matten ebenfalls der Erfassung von Tieren dienen. „Die sind für Reptilien, beispielsweise Schlangen und Eidechsen“, sagt Vogt. Die kleinen Lebewesen suchen gerne unter den Matten Zuflucht – besonders im Winter. Vorsichtig werfen die Expertinnen einen Blick unter die Matte und halten anschließend digital fest, was sich unter der Matte getummelt hat. In diesem Fall ist der Platz unter der Matte aber verwaist.
Anders sieht es einige Meter weiter unterhalb der Leinebrücke aus. Vorsichtig und mit Taschenlampen in den Händen bewegen sich Vogt und Heinß vorwärts. Sie sind bemüht, keine der im Matsch deutlich sichtbaren Spuren zu zerstören. Heinß zeigt schließlich auf einen großen Pfotenabdruck. „Der stammt von einem Biber“, sagt die Kartiererin. Kurz darauf zeigt sie auf eine Schleifspur, die von einer Seite der Unterführung bis zur anderen verläuft und dort am Wasser endet. „Die Schleifspur ist vom Biberschwanz“, sagt Heinß.Auch auf der anderen Seite der Leine entdecken die Frauen eindeutige Biberspuren. Dort hatte mindestens ein Tier an einem Baumstamm einen Großteil der Rinde abgenagt. „Davon ernährt sich der Biber im Winter“, sagt Vogt. Das ist vielen Pattensern sicherlich nicht neu. Schließlich ist das geschützte Tier auch am Fuchsbach unterwegs und ließ sich kürzlich sogar die Weiden am Abenteuerspielplatz in den Bruchwiesen schmecken. Auch andere Spuren von Tieren sind unter der Leinebrücke deutlich zu erkennen. „Die, die wir nicht direkt zuordnen können, fotografieren wir und vergleichen sie später mit Aufnahmen aus unserer Datenbank“, sagt Heinß.
Es werden bei den Kartierungen für die – so die offizielle Bezeichnung – faunistische Planungsraumanalyse noch viele Lebewesen mehr mit eingebunden. Feldhamster, Haselmaus, Fledermäuse, Fische, Libellen und Käfer gehören dazu. „Die Bestandsaufnahme erfolgt dabei nach bestimmten Methodenstandards“, erklärt Heinß. Ein Beispiel: „Für Fischotter bedeutet dies, dass wir an vier Terminen eine vordefinierte Strecke nach Spuren wie Losungen oder Fußabdrücken absuchen.“
Die Ergebnisse, die bis Herbst dieses Jahres in etwa vorliegen sollen, fließen in die Genehmigungsunterlagen für den Brückenneubau mit ein. „Dabei werden Konflikte mit Flora und Fauna herausgestellt und bewertet“, sagt Heinß. In der Folge könne dies bedeuten, dass versucht werde, bestimmte Tierarten aus dem Gelände zu vergrämen oder umzusiedeln. Die Erkenntnis, welche Tiere in dem Bereich vorkommen, könnten noch weitere Konsequenzen haben. „Wenn beispielsweise Lebensräume der streng geschützten Fledermäuse verloren geht, sind diese vor dem Verlust des Habitats auszugleichen“, erklärt Heinß.
Bei dem Termin sind auch Landschaftspflegerin Jana Gröger, Planungsingenieur Marc Oliver Meng und Sprecher Martin Klose, alle von der Landesbehörde, dabei. Sie hören interessiert zu und beobachten die Suche nach Tierspuren. „Uns erreichen regelmäßig Anfragen, warum Planung und Bauvorbereitung so viel Zeit in Anspruch nehmen und sich über viele Jahre hinziehen können“, sagt Klose. Dabei seien „die Kartierungen nur ein kleines Puzzleteil auf dem langen Weg zur baulichen Umsetzung“, so der NLStBV-Sprecher. „Uns ist es wichtig, dass die Menschen verstehen, dass viele unterschiedliche Akteure an einem Planungsprozess beteiligt sind – und das nimmt Zeit in Anspruch.“