„Ich habe zwei Tage nicht geschlafen und richtig Angst bekommen. Ich habe mir schon überlegt, meine Koffer zu packen und mit meinen Kindern Deutschland zu verlassen“, sagt Wais. Für sie war klar, dass sie sich am Sonnabend bei der Großdemonstration in Hannover auf dem Opernplatz beteiligt.
Dass dabei rund 35.000 Menschen – darunter weitere Pattenserinnen und Pattenser –zusammenkamen, lässt Wais wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft blicken. „Das war ein schönes Zeichen. Aber dabei alleine dürfen wir es nicht belassen“, sagt die 39-Jährige.
Sie fuhr mit der Pattenser Ratsfrau und Regionsabgeordneten Stefanie Behrends (CDU) ab Hemmingen mit der Stadtbahn nach Hannover. Wais hatte ein selbstgemaltes Plakat dabei. Unter ihrem Namen standen darauf die Wörter „Ausländerin“ und „Ärztin“ sowie ein paar Hashtags. „Ich wollte es bewusst kurz halten. Mit den Wörtern ist alles gesagt“, sagt Wais. Ihre Hände und Füße seien zwar durchfroren gewesen, doch das Banner habe sie nicht aus der Hand legen wollen. Viele Menschen hätten sie am Opernplatz angelächelt, angesprochen und ihr Mut gemacht. „Eine Frau kam zu mir und sagte: ,Mach dir keine Sorgen. Wir werden es nicht zulassen, dass die Nazis wieder an die Macht kommen’“, berichtet Wais.
Behrends war die Teilnahme wichtig, um sich „auch öffentlich gegen rechtsextreme Strukturen, Hass, Hetze und Rassismus zu positionieren“. Die Mitte der Gesellschaft habe die Stimme erhoben und schweige nicht, sagt sie. Rechtsextreme Meinungen und Rassismus dürften nicht gesellschaftsfähig werden. „Ich wünsche mir, dass dies jedem Mut macht, im Alltag bei Freunden, Arbeitskollegen und dem persönlichen Umfeld für die Demokratie einzustehen“, sagt Behrends. Aus Schulenburg war Steffen Lebjedzinski vom grünen Erlebnisort und außerschulischen Lernort Buller & Bü ebenfalls dabei. „Es ist schön, dass das, was wir bei uns leben und lehren wollen, nämlich Demokratie und Vielfalt, in Hannover so großen Zuspruch erfährt.“
Der Pattenser SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Ernst und seine Frau Dagmar Ernst vom Regionssportbund demonstrierten auch mit. „Vor 100 Jahren waren die Menschen nicht auf die Straße gegangen. Daraus sollten wir lernen. Es wird Zeit, dass sich die schweigende Mehrheit für die Demokratie einsetzt“, sagt Ernst. Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Georg Thomas ist klar: „Es muss sich etwas ändern, und alle – die demokratischen Parteien und die Gesellschaft – müssen zusammenstehen, um eine Wiederholung von 1933 zu verhindern. In Hannover ist ein starkes Zeichen gesetzt worden.“ Nach diesem ersten Schritt „müssen alle demokratischen Parteien besser zusammenarbeiten, um ein Erstarken der Extreme zu verhindern.“ Die Pattenserin Julia Klimzeck fuhr mit zwei weiteren Müttern nach Hannover. „Uns ist es als Eltern wichtig, für unsere Kinder einzutreten und ihnen eine Zukunft zu ermöglichen, die nicht von Rassismus und Intoleranz geprägt ist“, betont sie. Allein das Gesellschaftsbild der AfD bezüglich Frauen passe nicht in die Moderne. „Mädchen von heute sollen nicht mehr wie das Heimchen am Herd stehen“, sagt Klimzeck. Sie glaubt, dass ein langer Atem erforderlich ist, um der Bedrohung von rechts zu begegnen: „Mit ein paar Demonstrationen im Januar wird es nicht getan sein.“Die Grünen-Fraktionsvorsitzende in Pattensen, Sandra Stets, findet es zwar „beeindruckend, dass so viele unterschiedliche Menschen zusammengekommen waren. Man muss es nun aber noch bis in die kleinste Kommune weitertragen.“Genau das möchte Klimzeck tun: Sie plant im nächsten Schritt eine lokale Aktion für Pattensen-Mitte für das bevorstehende Wochenende.